Farblich angepasste PV-Module können ein verhältnismässiges Mittel sein, um eine PV-Anlage auch auf denkmalgeschützten Gebäuden zu realisieren. Ob solche Anlagen das geschützte Objekt nicht «wesentlich beeinträchtigen» ist im Einzelfall zu entscheiden.
Im Oktober des vergangenen Jahres hatte das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn über die Erstellung einer PV-Anlage auf einem denkmalgeschützten Gebäude zu entscheiden (VWBES.2023.236, Urteil vom 10. Oktober 2023). Das denkmalgeschützte Objekt (Haus Gressly) steht am Kreuzackerquai in Solothurn in der «Altstadtzone». In dieser Zone gelten besondere Bestimmungen für die Dachgestaltung. Bei der zu beurteilenden Anlage handelte es sich um PV-Paneele, welche sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Farbgebung alten Biberschwanzziegeln nachempfunden sind. Entgegen der Empfehlung der kantonalen Denkmalpflege ist das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn in seinem Entscheid vom 10. Oktober 2023 zum Schluss gekommen, dass die geplante PV-Anlage das denkmalgeschützte Objekt nicht wesentlich beeinträchtigte.
Gemäss Art. 18a Abs. 3 RPG bedürfen Solaranlagen auf Kultur- und Naturdenkmälern von kantonaler oder nationaler Bedeutung stets einer Baubewilligung. Sie dürfen solche Denkmäler nicht wesentlich beeinträchtigen. Grundsätzlich sind für Natur und Heimatschutz die Kantone zuständig (Art. 78 Abs. 1 BV). Mit der Einführung von Art. 18a Abs. 3 RPG hat der Bund sich über diese Regelung hinweggesetzt und eine gesamtschweizerisch geltende Denkmalschutzvorschrift erlassen. Wann eine «wesentliche Beeinträchtigung» im Sinne von Art. 18a Abs. 3 RPG zu bejahen ist, wird vom Gesetz nicht definiert. Die beurteilenden Behörden sind gehalten, im Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen den kulturellen und ästhetischen Schutzvorschriften (Denkmalschutz und allenfalls Ortsbildschutz) und der Förderung erneuerbarer Energie vorzunehmen. Als Ergebnis einer solchen Interessenabwägung sind farblich und in der Form angepasste PV-Anlagen unter Umständen bewilligungsfähig. Da diese jedoch in der Materialität und der Erscheinung immer noch stark von Tonziegeln abweichen und andererseits teurer und ineffizienter sind als herkömmliche PV-Paneele, ist eine umfassende Interessenabwägung unumgänglich.
Auch der Regierungsrat des Kantons Aargau hatte in einem Entscheid des vergangenen Jahres über eine solche «Kompromisslösung» zu urteilen. Im Regierungsratsbeschluss Nr. 2023-000525 vom 10. Mai 2023 (RRB Nr. 2023-000525 – Entscheid Regierungsrat vom 10.05.2023 - Kanton Aargau - Erlass-Sammlung (ag.ch)) wies der Regierungsrat die Beschwerde der Bauherrschaft ab, welche die Auflage der Kantonalen Dankmalpflege nicht hinnehmen wollte. Diese hatte verlangt, dass die PV-Anlage als integrierte Anlage in der Farbigkeit der Dacheindeckung zu gestalten sei. Dies lief darauf hinaus, dass die PV-Elemente terracottafarben sein müssten. Die Liegenschaft stand nicht unter Denkmalschutz, befand sich jedoch rund 30 m von einem denkmalgeschützten Objekt entfernt. Die Kantonale Denkmalpflege stützte ihre Auflage auf den Umgebungsschutz denkmalgeschützter Objekte gemäss § 32 des Kulturgesetzes des Kantons Aargau (KG). Die Bauherrschaft machte unter anderem geltend, die Auflage sei nicht verhältnismässig, da terracottafarbene Paneele doppelt so teuer seien und die Leistung um 25% reduziert würde. Der Regierungsrat entschied in diesem Fall, die terracottafarbene PV-Anlage stelle einen verhältnismässigen Kompromiss zwischen den ästhetischen Anforderungen der Dachlandschaft und der Nutzung erneuerbarer Energie dar.
Dieser Entscheid des Regierungsrats ist in Rechtskraft erwachsen. Das anfangs erwähnte Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn wurde vom Solothurner Heimatschutz und vom Schweizerischen Heimatschutz an das Bundesgericht weitergezogen. Das Bundesgericht ist aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht auf die Beschwerde eingetreten (BGE 1C_596/2023; Entscheid des Verwaltungsgerichts schliesst das Baubewilligungsverfahren nicht ab; es wird einzig die Frage geprüft, ob die kantonale Denkmalpflege ihre Zustimmung zu Recht verweigert hat). Es ist jedoch damit zu rechnen, dass sich das Bundesgericht nach Vorliegen der Baubewilligung erneut mit der Sache wird befassen müssen. Ob nach Ansicht des Bundesgerichts in diesem Fall Biberschwanz-Solarziegel geeignet sind, um das denkmalgeschützte Objekt «nicht wesentlich zu beeinträchtigen», wird sich zeigen.
An Gemeindeversammlungen haben Stimmberechtigte das Recht, zu allen traktandierten Sachgeschäften Anträge zur Geschäftsordnung und zur Sache zu stellen. Dieses freie Rede- und Antragsrecht ist ein Grundprinzip der direkten Demokratie. Zwischen der Exekutive und dem Stimmvolk gilt das «Prinzip der gleich langen Spiesse».
Das Gemeindegesetz des Kantons Aargau (GG) gibt in § 27 Abs. 1 vor, dass an einer Gemeindeversammlung jeder Stimmberechtigte das Recht hat, zu den in der Traktandenliste aufgeführten Sachgeschäften Anträge zur Geschäftsordnung und zur Sache zu stellen. Die Versammlungsteilnehmenden verfügen somit zu allen Beratungsgegenständen über ein freies Rede- und Antragsrecht, welches grundsätzlich nicht verweigert, entzogen oder gekürzt werden darf. Dies ist ein Ausfluss der direkten Demokratie der Gemeindeversammlung, die definitionsgemäss die Freiheit des Gesprächs, der Informationsvermittlung und des Informationsbezugs voraussetzt.
Antragsformen
Die Stimmbürger/innen können die ihnen vom Gemeinderat unterbreiteten Sachgeschäfte annehmen, abändern, zurückweisen oder verwerfen. Anträge müssen unmittelbar und mündlich an der Versammlung gestellt werden. Ist eine Person am Datum der Versammlung verhindert, hat sie jemanden zu suchen, der ihr Anliegen vertritt. Ein schriftliches Antragsrecht im Vorfeld der Gemeindeversammlung ist im Kanton Aargau nicht vorgesehen.
Das Antragsrecht gilt für alle Sachgeschäfte der Gemeindeversammlung. Man unterscheidet zwischen formellen und materiellen Anträgen. Zu ersteren – auch Ordnungsanträge genannt – gehören insbesondere der Rückweisungsantrag, der Wiedererwägungsantrag und der Antrag auf geheime Abstimmung. Sie führen nicht zu einer definitiven Erledigung des Sachgeschäfts. Demgegenüber stehen die materiellen Anträge, d.h. Anträge zum Inhalt, wie etwa Abänderungs- oder Ergänzungsanträge.
Rückweisungsanträge verfolgen das Ziel, einen Gegenstand nicht von vorneherein abzulehnen, sondern einer erneuten Prüfung durch den Gemeinderat unterziehen zu lassen. Der Gemeinderat hat das Geschäft nach der Prüfung nochmals vorzulegen. Ein Rückweisungsantrag ist daher mit einem bestimmten Prüfungsauftrag – das können genauere Abklärungen oder das Suchen von Alternativen sein – an den Gemeinderat zu verbinden. Aus ihrer Natur folgt, dass die Versammlungsleitung Rückweisungsanträge vor der Hauptabstimmung unterbreitet, da sich eine Hauptabstimmung erübrigt, wenn der Rückweisungsantrag gutgeheissen wird. Wird er jedoch verworfen, ist die Hauptabstimmung einzuleiten.
Wiedererwägungsanträge dienen dazu, die Diskussion über ein ganzes Traktandum nochmals aufzunehmen und erneut darüber abstimmen zu lassen. Abgesehen von einem durch die Versammlung gutgeheissenen Wiedererwägungsantrag ist die Wiederholung einer Sachabstimmung grundsätzlich nicht zulässig, wenn sie richtig und zweifelsfrei durchgeführt worden ist. Anträge auf Wiedererwägung müssen umgehend gestellt werden, in der Regel direkt nach der Abstimmung, jedenfalls aber noch während der laufenden Gemeindeversammlung.
Eine Wiedererwägung ist zulässig, soweit sie nicht rechtsmissbräuchlich ist. Ein solcher Rechtsmissbrauch kann vorliegen, wenn die Gemeindeversammlung ihren Willen zuvor klar kundgetan hat. Besonders bei knappem Abstimmungsausgang ist ein erstmaliger Wiedererwägungsantrag in der Regel jedoch noch nicht rechtsmissbräuchlich.
Eine geheime Abstimmung kann durch einen Viertel der anwesenden Stimmberechtigten verlangt werden (§ 27 Abs. 2 GG). Der Gemeinderat kann die geheime Abstimmung nicht von sich aus verfügen. Allerdings kann er sie beantragen. Der Antrag auf geheime Abstimmung bezieht sich nur auf eine einzige Abstimmung, kann also nicht generell für bestimmte Geschäfte beschlossen werden.
Abänderungs- oder Ergänzungsanträge in der Detailberatung bezwecken die Ergänzung, Kürzung oder die materielle Veränderung eines Hauptantrags. Beispielsweise kann dies darauf abzielen, einen Artikel in einem Gemeindereglement abzuändern, welches der Gemeinderat insgesamt vorlegt. Über diese Anträge ist vor den Hauptanträgen abzustimmen, also vor dem Entscheid über das ganze Reglement. Bei Abänderungs- oder Ergänzungsanträgen müssen allfällige finanzielle Konsequenzen, die daraus folgen, in etwa bekannt sein. Der Hauptantrag darf zudem nicht wesentlich verändert werden. Das heisst, der Änderungsantrag muss einen engen Zusammenhang mit der traktandierten Vorlage aufweisen und darf diese nur in untergeordneter Weise verändern. Wird beispielsweise beantragt, ein Bauprojekt sei auf die Hälfte des vorgesehenen Umfangs zu reduzieren, handelt es sich nicht mehr um eine unwesentliche Änderung. Das Geschäft wäre dann vom Gemeinderat zurückzunehmen, um es später überarbeitet erneut vorzulegen.
Jede/r anwesende Stimmberechtigte ist befugt, der Versammlung die Überweisung eines neuen Gegenstands an den Gemeinderat zwecks Berichterstattung und Antragstellung vorzuschlagen (§ 28 Abs. 1 GG). Das Vorschlagsrecht wird grundsätzlich unter dem Sammeltraktandum «Verschiedenes» ausgeübt und stellt das eigentliche Initiativrecht der Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung dar. Das Begehren kann an der Gemeindeversammlung, an welcher es gestellt wird, nur beraten, verworfen oder erheblich erklärt und an den Gemeinderat überwiesen werden. Seine materielle Gutheissung ist dagegen erst an einer der nächsten Versammlungen möglich.
Ausübung des Antragsrechts – Prinzip der gleich langen Spiesse
Für den Gemeinderat und die Stimmberechtigten gilt das Gebot, dass sie an der Versammlung bei der Behandlung und Beratung der Geschäfte in etwa die gleich langen «Spiesse» haben sollten. Nutzt der Gemeinderat zur Vorstellung der Traktanden technische Hilfsmittel (z.B. Präsentationen), sollte dies demnach auch den Stimmberechtigten zur Vertretung von Versammlungsanträgen erlaubt sein. Eine völlige Freigabe muss jedoch nicht zugelassen werden, zum Beispiel wenn an einer Versammlung zu viel Zeit zur technischen Vorbereitung eines Vortrags verloren gehen würde. Der Gemeinderat darf daher Regeln über die Verwendung der Hilfsmittel hinsichtlich des Abgabezeitpunkts, des Umfangs der Präsentation sowie der technischen Anforderungen aufstellen.
Baubewilligungen werden häufig mit vor Baubeginn zu erfüllenden Auflagen versehen. Ein Urteil des Bundesgerichts sorgt aktuell für Verunsicherung bei Bewilligungsbehörden und Bauherrschaften. Steht das Instrument der Auflagen in Baubewilligungen vor dem Aus?
Praxisgemäss können im Kanton Aargau - wie in vielen anderen Kantonen - untergeordnete Mängel eines Baugesuchs mittels Auflagen in der Baubewilligung geheilt werden. Beispielsweise wird verfügt, dass ein Farbkonzept und ein Umgebungsplan erst vor Baubeginn der Baubewilligungsbehörde zur Genehmigung vorgelegt werden müssen.
Baubewilligungen, die vor Baubeginn zu erfüllende Auflagen enthalten, stellen jedoch nach Ansicht des Bundesgerichts keine Endentscheide, sondern lediglich Zwischenentscheide dar. Vor Bundesgericht sind solche Zwischenentscheide nicht anfechtbar (BGE 149 II 170 ff.; Art. 93 BGG). Davon ausgenommen sind lediglich Auflagen, die dem Bauherrn und der Baubehörde keinen relevanten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum belassen. Solche (Quasi-)Endentscheide sollen vor Bundesgericht nach wie vor anfechtbar sein.
Gemäss der (bisherigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau gelten für das kantonale Verfahren die Anfechtungsvoraussetzungen gemäss Art. 90-94 BGG nicht (AGVE 2011, S. 253 ff., AGVE 2010, S. 263). Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau tritt auch auf Beschwerden gegen suspensiv bedingte Baubewilligungen ein (VGer WBE.2021.418 vom 19. Juli 2022, E. I/1). Ob dies im Lichte der neusten bundesgerichtlichen Rechtsprechung so bleiben wird, ist noch nicht bekannt. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch die kantonalen Instanzen ihre Praxis entsprechend anpassen werden.
Die Bereinigung der Auflagen nach Erteilung der Baubewilligung muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unter Beteiligung Dritter erfolgen und in einem anfechtbaren Entscheid enden (BGE 149 II 170, E. 1.10). Das führt dazu, dass der beschwerdeberechtigte Nachbar bis zum Entscheid über die Auflagenbereinigung zuwarten kann, bis er eine Beschwerde gegen den Bauentscheid einreicht. Der Bauherr, der zu diesem Zeitpunkt zwar über eine (vermeintlich) rechtskräftige Baubewilligung verfügt, muss deshalb damit rechnen, dass im Beschwerdeverfahren gegen die Auflagenbereinigung auch die Rechtmässigkeit des Bauentscheids hinterfragt wird. Das sorgt für grosse Verunsicherung bei allen Verfahrensbeteiligten.
Wir empfehlen daher, Baubewilligungen nur sehr zurückhaltend mit Auflagen zu versehen. Mängel am Bauvorhaben sollen möglichst vollständig schon im Baubewilligungsverfahren behoben werden. Insbesondere auf Auflagen, bei denen dem Bauherrn und/oder der Baubehörde Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum belassen wird, sollte ganz verzichtet werden.
Im freihändigen Verfahren vergibt die Auftraggeberin einen öffentlichen Auftrag direkt ohne Ausschreibung. Die Auftraggeberin ist berechtigt, Vergleichsofferten einzuholen und Verhandlungen durchzuführen. Teilweise besteht auch bei Freihandvergaben eine Pflicht zur amtlichen Publikation.
Die Wahl der Verfahrensart ist zentraler Bestandteil jeder Beschaffung. Öffentliche Aufträge werden entweder im offenen Verfahren, im selektiven Verfahren, im Einladungsverfahren oder im freihändigen Verfahren vergeben (Art. 17 IVöB). Die Wahl des Verfahrens richtet sich insbesondere danach, ob ein Auftrag einen Schwellenwert nach den Anhängen 1 und 2 zur IVöB erreicht (Art. 16 Abs. 1 IVöB). Für die Wahl des richtigen Verfahrens massgebend ist neben dem Wert des zu vergebenden Auftrags auch die Art der nachgefragten Leistung (Bauauftrag, Lieferung, Dienstleistung).
Die Auftraggeberin schätzt den mutmasslichen Auftragswert (Art. 15 Abs. 1 IVöB). Für die Schätzung des Auftragswerts ist die Gesamtheit der auszuschreibenden Leistungen oder Entgelte, soweit sie sachlich oder rechtlich zusammenhängen, zu berücksichtigen. Alle Bestandteile der Entgelte sind einzurechnen, einschliesslich Verlängerungsoptionen und Optionen auf Folgeaufträge sowie sämtliche zu erwartenden Prämien, Gebühren, Kommissionen und Zinsen (Art. 15 Abs. 3 IVöB). Die Mehrwertsteuer wird bei der Schätzung nicht berücksichtigt (Art. 15 Abs. 3 IVöB).
Der Auftraggeberin ist es verboten, einen Auftrag, der wirtschaftlich eine Einheit bildet, aufzuteilen, um die Pflicht zur Durchführung eines Beschaffungsverfahrens zu umgehen (vgl. Art. 15 Abs. 2 IVöB).
Der mutmassliche Auftragswert ist sorgfältig zu schätzen und den Schwellenwerten gegenüberzustellen. Bei der Schätzung darf nicht knapp kalkuliert werden, insbesondere nicht, um Schwellenwerte zu umgehen. Die Verfahrensart ist daher anhand der oberen Bandbreite der Schätzung auszuwählen. Die Auftraggeberin muss im Zweifel für mehr statt weniger Wettbewerb sorgen (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. November 2022, WBE.2022.381. E. II/1).
Sofern der Schwellenwert eine freihändige Vergabe zulässt, ändert diese nichts an der Geltung der vergaberechtlichen Grundsätzen namentlich der Wirtschaftlichkeit, der Transparenz, dem Diskriminierungs- und dem Gleichbehandlungsgebot sowie der Förderung eines wirksamen und fairen Wettbewerbs (vgl. Art. 2 IVöB).
Das freihändige Verfahren ist nicht an strenge formelle Verfahrensvorschriften gebunden und die Vergabe erfolgt nicht mittels einer Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung. Die Anbieterin ist bei der Anfrage und auch bei der Arbeitsvergabe klar darauf hinzuweisen, dass es sich um ein freihändiges Verfahren handelt und keine Rechtsmittelmöglichkeit besteht.
Ein Auftrag kann unabhängig vom Schwellenwert im freihändigen Verfahren vergeben werden, wenn ein in Art. 21 Abs. 2 IVöB genannter Ausnahmegrund gegeben ist. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn im offenen Verfahren, im selektiven Verfahren oder im Einladungsverfahren keine den Anforderungen entsprechende Offerte eingegangen ist (Art. 21 Abs. 2 lit. a IVöB), wenn hinreichende Anhaltspunkte, dass alle im offenen Verfahren, im selektiven Verfahren oder im Einladungsverfahren eingegangenen Angebote auf einer unzulässigen Wettbewerbsabrede beruhen (lit. b), aufgrund der technischen oder künstlerischen Besonderheiten des Auftrags oder aufgrund des Schutzes des geistigen Eigentums (lit. c), bei dringlichen Beschaffungen (lit. d), wenn ein Wechsel des Anbieters unzumutbar ist (lit. e), bei der Beschaffung von Prototypen an Warenbörsen oder bei einer besonderen Gelegenheit (lit. f, g und h) und bei einem Folgeauftrag an den Gewinner eines Planungs- oder Gesamtleitungswettbewerbs (lit. i).
Mit dem neuen Beschaffungsrecht wurde der Katalog der Ausnahmegründe, die eine freihändige Beschaffung erlauben, bei Folgeaufträgen erweitert. So können solche direkt vergeben werden, wenn «ein Wechsel des Anbieters für Leistungen zur Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht möglich ist, erhebliche Schwierigkeiten bereitet oder substanzielle Mehrkosten mit sich bringen würde» (Art. 21 Abs. 2 lit. e IVöB). Es ist davon auszugehen, dass die Gerichtspraxis auch diese Ausnahme eng auslegt.
Die Auftraggeberin hat bei einer freihändigen Vergabe nach Art. 21 Abs. 2 IVöB (Ausnahmetatbestände) eine Dokumentation zu erstellen, in der insbesondere die Umstände und Bedingungen dargelegt sind, welche die Anwendung des freihändigen Verfahrens rechtfertigen. Wir empfehlen, eine solche Dokumentation zur besseren Nachvollziehbarkeit bei sämtlichen freihändigen Vergaben anzulegen.
Zu beachten ist, dass die Gerichte in Beschwerdeverfahren die Rechtmässigkeit des gewählten Vergabeverfahrens von Amtes wegen prüfen. Bei der Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfahrensart handelt es sich um einen derart schweren Rechtsmangel, dass er auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er nicht gerügt wird, gegebenenfalls sogar gegen den Willen des Beschwerdeführers (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. November 2022, WBE.2022.381. E. I/3, vgl. AGVE 2018, S. 261, Erw. 2.1; 2001, S. 311, Erw. I/4b; 1997, S. 343).
Auftragsvergaben nach einer freihändigen Vergabe müssen grundsätzlich nicht publiziert werden. Als Ausnahme von dieser Regel sind Zuschläge im freihändigen Verfahren, die gestützt auf Art. 21 Abs. 2 IVöB erfolgen, mit Rechtsmittelbelehrung zu publizieren. Gemeint sind damit alle freihändigen Vergaben, die über den Schwellenwerten für eine freihändige Vergabe gemäss Anhang 2 IVöB und im Staatsvertragsbereich liegen, jedoch gestützt auf die Ausnahmetatbestände direkt vergeben werden können. Aufgrund der Vorschrift von § 3 des Dekrets über das öffentliche Beschaffungswesen (DöB) des Kantons Aargau sind überdies die Zuschläge ausserhalb des Staatsvertragsbereichs, die freihändig gemäss Art. 21 Abs. 2 IVöB (Ausnahmetatbestände) erteilt wurden, zu publizieren.
Freihändig vergebene Zuschläge aufgrund der nicht erreichten Schwellenwerte für das Einladungsverfahren oder das offene/selektive Verfahren müssen aber weiterhin nicht publiziert werden.
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