Unsere Kanzlei wächst weiter. Wir freuen uns sehr, Giulia Spirig bei Pfisterer Fretz Munz Rechtsanwälte begrüssen zu dürfen. Giulia Spirig ist seit Mai 2023 Teil unseres Teams. Sie widmet sich insbesondere Ihren Anliegen in Sachen Planen, Bauen und Umweltschutz. Giulia Spirig ist in Fulenbach, Kanton Solothurn, aufgewachsen und lebt dort zusammen mit ihrem Ehemann und zwei Kindern. Sie schloss das Studium an der Universität Bern mit dem Titel Master of Law (MLaw) 2009 ab. 2012 wurde sie als Rechtsanwältin patentiert und arbeitete in einer Kanzlei in Solothurn. Ihre Kenntnisse im Baurecht hat sie insbesondere im Rahmen ihrer Anstellung beim Rechtsdienst des Regierungsrats des Kantons Aargau vertieft. Sie ist zudem als Dozentin für Baurecht an der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig (DAS öffentliches Gemeinwesen, Fachkompetenz Bauverwalter/in). Giulia Spirig verbringt ihre Freizeit gerne in der Natur (am und im Wasser) und engagiert sich ehrenamtlich als Vorstandspräsidentin der Spielgruppe Fulenbach.
Erst am 1. November 2021 ist der neue § 36a BauV in Kraft getreten. Damit definierte der Regierungsrat namentlich Umfang und Lage der Nebenräume in neuen Mehrfamilienhäusern. § 36a Abs. 2 BauV wurde nun bereits wieder geändert: Das kantonale Recht gibt neu nicht mehr vor, auf welcher Geschossebene Nebenräume von Mehrfamilienhäusern zu erstellen sind. Ferner ist die nötige Grösse der Nebenraumfläche herabgesetzt worden.
In unserem Beitrag vom November 2022 haben wir § 36a BauV vorgestellt. Seit dem Inkrafttreten der Teilrevision der Bauverordnung (BauV, SAR 713.121) per 1. November 2021 bestimmt der Regierungsrat mit § 36a Abs. 1 BauV die Mindestmasse für die lichte Höhe und die Befensterung von Wohn-, Schlaf- Arbeitsräumen in Neubauten. § 36a Abs. 2 BauV legte zudem kantonal einheitlich die Mindestgrösse und die Lage von Nebenräumen in neuen Mehrfamilienhäusern fest.
§ 36a Abs. 2 BauV in der Fassung per 1. November 2022 schrieb vor, dass neue Mehrfamilienhäuser im Estrich oder auf gleichem Geschoss wie die Wohnung Nebenräume von 4 m² pro Wohnung aufweisen müssen. Im Keller waren weitere Nebenräume notwendig (4 m² für eine 1-Zimmer-Wohnung, 1 m² zusätzlich für jedes weitere Zimmer).
Wir haben die neue Regelung in unserem Beitrag im Newsletter vom November 2022 kritisch beleuchtet. Nun hat der Regierungsrat am 11. Januar 2023 erneut eine Änderung der Bauverordnung beschlossen und § 36a Abs. 2 BauV neu gefasst.
Neu lautet § 36a Abs. 2 BauV wie folgt:
Die Mindestfläche der Nebenräume in neuen Mehrfamilienhäusern beträgt
a) für Ein- und Zweizimmerwohnungen 5 m²,
b) für grössere Wohnungen 8 m².
Diese Änderung ist per 27. Februar 2023 in Kraft getreten. Das kantonale Recht gibt neu somit nicht mehr vor, auf welcher Geschossebene Nebenräume von Mehrfamilienhäusern zu erstellen sind.
Zudem setzte der Regierungsrat den Umfang der notwendigen Nebenräume erheblich herab: Bei einer 5-Zimmer-Wohnung waren beispielsweise nach der alten Fassung von § 36a Abs. 2 BauV Nebenräume von 12 m2 (4 m² + 8 m²) pro Wohnung notwendig, neu sind es noch 8 m2. Bei einer Einzimmerwohnung waren es bisher 8 m2, neu sind es noch 5m2.
Dass eine Verordnungsbestimmung rund ein Jahr nach dem Inkrafttreten bereits wieder geändert werden muss, wirft Fragen auf. Offensichtlich hat der Regierungsrat die Anforderungen bezüglich Nebenräume in der alten Fassung zu wenig durchdacht, zu sehr detailliert und zu hoch angesetzt.
Von Seiten der Gemeinden ist z.B. nach deren Inkrafttreten gegen diese Vorschrift zu Recht vorgebracht worden, dass einige Mehrfamilienhäuser keinen Estrich mehr hätten und dass eine Realisierung auf dem gleichen Geschoss wie die Wohnung den Wohnungsbau verteure.
Mit der nun geltenden Fassung von § 36a Abs. 2 BauV wurden die offensichtlichen Unklarheiten und Unstimmigkeiten korrigiert und der Umfang an Nebenräumen erheblich reduziert. Die neue Fassung ist zudem praktikabel und einfach umzusetzen. Insbesondere fiel die einschränkende Festlegung der Anordnung der Nebenräume (in den Wohnungen und im Keller) weg. Den Gemeinden wird der Spielraum für weitergehende Regelungen bezüglich Anordnung und Umfang belassen.
Weshalb es dazu zuerst eine missglückte Version von § 36a Abs. 2 BauV brauchte, ist für uns unverständlich. Bereits von der Änderung per 1. November 2021 wurden zahlreiche Bauwillige von der vorgängig nicht breit kommunizierten Änderung der BauV überrascht. Baugesuche, die auf Basis der bisherigen kommunalen Anforderungen an Nebenräumen in Mehrfamilienhäusern gemäss anwendbarer BNO geplant wurden, waren nach dem 1. November 2021 unerwartet nicht mehr bewilligungsfähig. Nun wiederholt sich die Geschichte in umgekehrter Weise: Die zwischenzeitlich eingereichten Baugesuche für Mehrfamilienhäuser, die § 36a Abs. 2 BauV in der bisherigen Version anwendeten, weisen nun plötzlich mehr Nebenräume auf, als gemäss der neuen Fassung von § 36a Abs. 2 BauV notwendig sind.
Rechts- und damit Planungssicherheit ist für Bauwillige wichtig. Das war hier nicht gewährleistet. Solche nicht breit kommunizierten Verordnungsänderungen in kurzen Abständen führen zu unnötigen Planungskosten, Unklarheiten und Verzögerungen. Es bleibt zu hoffen, dass inskünftige Anpassungen der BauV nicht erst im Anschluss an den Erlass mit den Gemeinden besprochen werden, sondern bei den Praktikern auf Ebene der Gemeinde vorgängig in Vernehmlassung gegeben werden.
Das Bundesrecht bestimmt, dass auf Dächern genügend angepasste Solaranlagen ohne Baubewilligung erstellt werden dürfen. In der Raumplanungsverordnung hat der Bundesrat kürzlich präzisiert, dass nicht nur auf Steildächern, sondern auch auf Flachdächern Solaranlagen auf blosse Meldung hin erstellt werden dürfen. Das führte zu einer Anpassung in der kantonalen Bauverordnung.
Art. 18a des Bundesgesetzes über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) bestimmt, dass in Bau- und in Landwirtschaftszonen auf Dächern genügend angepasste Solaranlagen keiner Baubewilligung bedürfen. Solche Vorhaben sind lediglich der zuständigen Behörde zu melden. Was mit «genügend angepasst» gemeint ist, regelt der Bundesrat in Art. 32a der Raumplanungsverordnung (RPV). Diese Bestimmung passte der Bundesrat per 1. Juli 2022 an, in dem er einen Abs. 1bis zu Solaranlagen auf Flachdächern ergänzte. Ebenfalls bewilligungsfrei sind demnach Solaranlagen, wenn sie
Im Kanton Aargau regelte § 49a Abs. 1 BauV bis anhin, dass Solaranlagen auf Gebäuden in Industrie-, Arbeits- und Gewerbezonen baubewilligungsfrei sind, auch wenn sie die Dachfläche im rechten Winkel um mehr als 20 cm überragen. Die Bestimmung fand Anwendung sowohl für Flachdächer wie auch für Schrägdächer. Die Änderung im Bundesrecht führte zu einer Anpassung der BauV-Bestimmung. § 49a Abs. 1 BauV lautet neu:
Solaranlagen auf Gebäuden in Industrie-, Arbeits- und Gewerbezonen sind baubewilligungsfrei, auch wenn sie auf Schrägdächern bei paralleler Anordnung zur Dachfläche diese im rechten Winkel um mehr als 20 cm und auf Flachdächern die Dachrandkante um mehr als 1 m überragen. Die übrigen Voraussetzungen der Bundesgesetzgebung an die genügende Anpassung gelten unverändert.
Das kantonale Recht erlaubt somit, auf Gebäudedächern in den (weniger empfindlichen) Industrie-, Arbeits- und Gewerbezonen Solaranlagen bewilligungsfrei zu erstellen, auch wenn sie höher sind als gemäss den Vorgaben des Bundesrechts. Für Flachdächer sollen in diesen Zonen die Voraussetzungen weiter gelockert werden, obwohl das übergeordnete Bundesrecht das Mass des Überragens des Dachrands auf einen Meter beschränkt. Diese Erweiterung der Baubewilligungsfreiheit dürfte mit Regelungskompetenz in Art. 18a Abs. 2 RPG vereinbar sein.
Auf Schrägdächern sind Solaranlagen jedoch nur «bei paralleler Anordnung zur Dachfläche» bewilligungsfrei. Gemeint sind damit gemäss den Erläuterungen zur Änderung der BauV Aufdachanlagen, und nicht zusätzlich aufgeständerte Anlagen. Aufgeständerte Anlagen auf Schrägdächern müssen somit in einem Bewilligungsverfahren geprüft werden.
Die Teilrevision der BauV vom 11. Januar 2023 trat am 27. Februar 2023 in Kraft
Nach dem alten Submissionsdekret (SubmD) war eine Vergabestelle nicht zum Zuschlag verpflichtet (§ 22 Abs. 1 SubmD). Daraus entwickelte sich die Praxis, dass eine Vergabestelle, welche ein Verfahren ohne wichtigen Grund abgebrochen hatte, nicht zur Fortsetzung des Verfahrens gezwungen werden konnte. Die seit dem 1. Juli 2021 geltende Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) regelt dies anders: Bricht eine Vergabestelle ein Verfahren ab um es zu wiederholen oder neu zu beginnen und erweist sich dies als sachlich unbegründet, ist das Vergabeverfahren fortzuführen (Art. 58 Abs. 1 IVöB). In einem neueren Urteil schickte das Verwaltungsgericht Aargau eine Vergabestelle daher zurück auf «Feld 1».
Wenn Kanton, Gemeinden oder generell die öffentliche Hand Beschaffungen tätigen, müssen sie in einem geregelten Verfahren Offerten einholen und diese bewerten. Das vorteilhafteste Angebot erhält schliesslich den Zuschlag (Art. 41 und Art. 42 IVöB). Es ist jedoch auch zulässig, das Verfahren aus sachlichen Gründen abzubrechen. Der Abbruch kann definitiv sein (als endgültiger Verzicht auf das Beschaffungsgeschäft, Art. 43 Abs. 1 lit. a IVöB) oder provisorisch erfolgen (zur Wiederholung oder Neuauflage des Beschaffungsgeschäfts; Art. 43 Abs. 1 lit. b - f IVöB). Ein Abbruch ist insbesondere zulässig, wenn kein Angebot eingeht, das die Anforderungen erfüllt, unzulässige Absprachen unter den Anbietenden erfolgt sind, oder anderes.
Im Gegensatz zum früheren § 22 Abs. 2 SubmD, der für die Zulässigkeit des Abbruchs einen wichtigen Grund verlangte, reicht nach Art. 43 IVöB neu ein sachlicher Grund, mit anderen Worten muss der Abbruch sachlich nachvollziehbar sein. Das reicht aus.
Die Vergabestelle muss den Entscheid zum Abbruch (Abbruchverfügung) begründen. Daraus müssen der Grund oder die Gründe für den Abbruch direkt hervorgehen. Ebenso muss die Vergabestelle mitteilen, ob der Abbruch definitiv ist oder provisorisch, also ob eine Wiederholung in Betracht gezogen wird. Erweist sich ein Abbruch mangels sachlichen Grundes auf Beschwerde hin als vergaberechtswidrig, weist das Gericht die Sache zurück an die Vergabestelle zur Fortführung des Verfahrens (Art. 58 Abs. 1 IVöB). Das ist eine entscheidende Änderung zum bisherigen Recht. Gemäss dem früheren Submissionsdekret konnte die Vergabestelle auch bei einem widerrechtlichen Verfahrensabbruch nicht zur Fortsetzung des laufenden Verfahrens gezwungen werden. Das Gericht konnte lediglich den unrechtmässigen Abbruch feststellen (vgl. AGVE 2015, S. 195, E. 2.1).
In einem neueren Anwendungsfall vor Verwaltungsgericht (Urteil WBE.2022.283, Art. 6, vom 19. Januar 2023) berief sich die Vergabestelle für den Abbruch auf von ihr begangene Verfahrensfehler bei der Ausschreibung und der Bewertung der Angebote. Das Verwaltungsgericht beurteilte diese als sachlich ungenügend für einen Abbruch. Denn anders als zum Beispiel eine falsche Verfahrenswahl oder grundlegende Mängel in der Ausschreibung berechtigt die allfällige Korrektur schwerwiegender Fehler bei der Prüfung, Bereinigung und Bewertung der Angebote grundsätzlich nur zur Wiedererwägung bzw. zum Widerruf eines bereits erteilten Zuschlags, also zu dessen Aufhebung (mit anschliessender Neuvergabe aufgrund der gleichen Unterlagen), nicht aber zum Abbruch des gesamten Vergabeverfahrens und zur Neuausschreibung. Eine Ausnahme kann sich dann ergeben, wenn lediglich ein einziges Angebot im Verfahren verbleibt und keine wirtschaftliche Beschaffung möglich ist (Art. 43 Abs. 1 lit. d IVöB). Das war hier nicht der Fall.
Der Abbruch erwies sich somit als unrechtmässig. Das Gericht verpflichtete die Vergabestelle das Verfahren wieder aufzunehmen und entweder durch einen neuen Zuschlag oder durch einen hinreichend begründeten Abbruch zu beenden.
Neu gilt also eine Fortführungspflicht. Allerdings ist damit noch nicht entschieden, wie das Verfahren dann wirklich endet. Denn die Vergabestelle kann das Verfahren entweder durch einen Zuschlag ordentlich abschliessen. Oder sie bricht das Verfahren erneut ab, diesmal jedoch aus einem zureichenden Grund. Das vorgenannte Urteil ist also nur ein «halber» Sieg.
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