Versicherungen und Vergaberecht haben auf den ersten Blick keine Berührungspunkte. Auf den zweiten Blick aber schon: Wenn die öffentliche Hand nach Versicherungslösungen sucht, muss sie die Regeln des Vergaberechts anwenden. Nur in Sonderfällen kommt sie darum herum. Nachfolgend werden einige Punkte zum Zusammenspiel von Versicherungen und Vergaberecht aufgezeigt.
Submissionspflicht der Gemeinden
Die Gemeinden erstellen Schulhäuser, beschaffen Kehrichtfahrzeuge, besitzen einen Fahrzeugpark, betreiben Schwimmbäder und Spielplätze, geben Auskünfte, räumen Schnee, usw. Sie sind überdies auch Arbeitgeber. Diese Tätigkeiten bergen Risiken, welche über Versicherungslösungen abgesichert werden sollten. Hier kommt das Vergaberecht ins Spiel: Der Abschluss von Versicherungsverträgen untersteht dem Vergaberecht. Ausnahmen bestehen lediglich, wo aufgrund gesetzlicher Vorgaben die Art des Risikoschutzes und der Anbieter nicht frei wählbar sind, etwa bei der obligatorischen Unfallversicherung SUVA oder bei der kantonalen Gebäudeversicherung.
Wertermittlung für die Schwellenwerte des Vergaberechts
Das Vergabeverfahren läuft nach bestimmten Verfahrensregeln ab. Die Verfahrenswahl (offen, selektiv, auf Einladung oder freihändig) hängt ab vom Auftragswert („Schwellenwert"). Vereinfacht gilt: „Je höher der Wert desto anspruchsvoller das Verfahren". Bei Versicherungen geht es um das Prämienvolumen. Diesen Wert zu bestimmen ist nicht immer einfach: Wird ein Versicherungspaket beschafft, ist der Gesamtwert aller Prämien massgebend. Verschiedene Versicherungen (Personenversicherungen, Sachversicherungen, Vermögensversicherungen), einzelne Risiken (z.B. Krankheit, Unfall, Feuer, Haftpflicht usw.) oder spezielle Anlagen oder Aktivitäten (Sportanlagen, Veranstaltungen etc.) dürfen jedoch auch einzeln ausgeschrieben werden; das lässt sich in der Regel sachlich begründen. Dann sind die Prämien der einzelnen Verträge entscheidend. Heikel wäre es dagegen, gleiche Versicherungen für einzelne Verwaltungsabteilungen getrennt zu beschaffen. Das Verbot der Aufteilung von Aufträgen untersagt dies meist.
Vertragsdauer beeinflusst Vergabewert
Das massgebende Prämienvolumen hängt auch von der Vertragsdauer ab. Bei einer fixen mehrjährigen Vertragsdauer ist das Prämientotal über die gesamte Vertragsdauer entscheidend: Beispielsweise führt ein Jahres-Prämienvolumen von 30'000 Franken über fünf Jahre zu einem Wert von 150'000 Franken. Damit ist der Schwellenwert des Einladungsverfahrens erreicht. Ist keine bestimmte Laufzeit vereinbart, so berechnet sich der Auftragswert auf 48 Monatsraten. Die Option „stillschweigende Erneuerung nach dreijähriger Vertragsdauer" gilt übrigens nicht als Neuabschluss sondern als Fortführung des bisherigen Vertrages - mit der entsprechenden Folge für den Auftragswert. Weiter gilt, dass Dauerverträge ohne Endtermin nicht zulässig sind. In der Ausschreibung muss eine Maximaldauer angeben werden, nach deren Ablauf wieder eine neue Vergabe erfolgen muss. Die Gerichtspraxis lässt Vertragsdauern von rund fünf bis sechs Jahren zu, je nach Einzelfall. Danach soll der Wettbewerb wieder spielen. Versicherungstechnisch ist es ohnehin sinnvoll, alle drei bis spätestens fünf Jahre eine neue Risikobeurteilung vorzunehmen. Denn die Versicherungsprodukte unterliegen einer dynamischen Entwicklung.
Risikoprozess bei der öffentlichen Hand
Die Beschaffung beginnt mit der Risikoanalyse und der Festlegung des Umgangs mit den Risiken. Entsprechend dem definierten "Gemeinderisiko-Profil" wird als nächstes der benötigte Versicherungsschutz festgelegt. Dieser bildet die Grundlage für das Pflichtenheft der Ausschreibung mit den Eignungs- und Zuschlagskriterien
Schaden vermeiden – Steuergelder sparen
Es ist zentral, dass die zu versichernden (Risiko-)Bedürfnisse vor der Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens bekannt bzw. sauber ermittelt sind. Risikogerecht („richtig“) versichert zu sein heisst nämlich einerseits Schaden vermeiden und andererseits Prämien (ein-)sparen. Letztlich geht es um einen pflichtbewussten und sorgsamen Umgang mit öffentlichen Geldern - was sich mit dem Ziel des Vergaberechts deckt. Diese Aufgabe(n) richtig wahr zu nehmen, erfordert breite Erfahrung und Fachwissen. Bei der Wahl der richtigen Versicherungslösung geht es auch darum, den richtigen Versicherungspartner zu finden, der in einer kritischen Situation „da“ ist und sein vertragliches Leistungsversprechen tatsächlich erfüllt. Für Versicherungs-Laien ist es oft schwierig, die Versicherungen mit ihren Angeboten richtig einzuschätzen. Ein Versicherungsbroker kann in solchen Situationen professionelle Unterstützung bieten. Er berät auch, wo etwa ein Versicherungsportefeuille nach und nach gewachsen ist (oder im Rahmen einer Gemeindefusion unkritisch integriert wurde) und bestehende Versicherungsverträge wieder einmal kritisch hinterfragt werden sollten.
Auch der Beizug eines Versicherungsbrokers untersteht dem Vergaberecht
Aber Achtung: Der Beizug eines Versicherungsbrokers untersteht ebenfalls dem Vergaberecht. Langjährige Brokerbeziehungen sind sicher angenehm, weil "man sich kennt". Das kann aber auch gefährlich sein, wenn dadurch Entwicklungen auf dem Markt verpasst und Optimierungspotentiale vergeben werden. Zudem: Auch der Broker- oder Maklerauftrag mit seiner Entschädigung (ob im Stundenhonorar oder als Courtage) hat einen Wert, der je nach Höhe dem Vergabeverfahren untersteht, ebenso nach einigen Jahren Laufzeit (kein „Dauervertrag“). Auch daran muss man denken.
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