Im letzten Newsletter haben wir Sie über das Verfahren der formellen Enteignung informiert. Eine Enteignung von Land ist nur gegen volle Entschädigung zulässig. Was dies in der Praxis bedeutet, erläutern wir Ihnen im nachfolgenden Artikel.
Die Bundesverfassung und die Kantonsverfassung schützen unser Eigentum vor staatlichen Eingriffen. Es kommt aber immer wieder vor, dass das Gemeinwesen für die Erfüllung seiner Aufgaben das Eigentum des Privaten beschränkt oder ihm dieses sogar entzieht. Gerade für den Bau von Strassen oder Eisenbahnlinien ist der Staat darauf angewiesen, als Enteigner auftreten zu können.
Bei der Festlegung der Entschädigung für eine formelle Enteignung steht zuoberst die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie (Art. 26 der Bundesverfassung; § 21 der Verfassung des Kantons Aargau). Diese tritt im Enteignungsrecht vor allem in Form der Wertgarantie auf: Ein Enteigneter soll nach dem Eingriff wirtschaftlich gleich gestellt sein wie vorher. Sofern sich der Staat und die Enteigneten nicht über die Höhe der Entschädigung einigen können, ist sie durch die Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen des Spezialverwaltungsgerichts (SKE) nach folgenden Kriterien festzulegen:
1. Zeitpunkt
Die Entschädigung wird nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Entscheids des SKE bemessen (§ 154 Abs. 2 Baugesetz des Kantons Aargau, BauG). Nimmt der Enteigner das Land vor Abschluss des Enteignungsverfahrens in Besitz (vorzeitige Besitzeinweisung, § 157 BauG) ist der massgebliche Stichtag auf den Tag der tatsächlichen Besitzergreifung vorzuverlegen. Zukünftige Nutzungschancen werden nur berücksichtigt, wenn am massgeblichen Stichtag eine Realisierungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 % besteht. Letzteres spielt vor allem beim im Volksmund "Bauerwartungsland" genannten Land eine Rolle. Damit Landwirtschaftsland bereits als Bauland entschädigt wird, muss am Stichtag eine Nutzungsplanungsrevision im Gange sein, welche das betreffende Grundstück zur Einzonung vorsieht.
2. Vergleichspreise
Zur Ermittlung des Werts einer Fläche, die abgetreten werden muss, sind Vergleichspreise ähnlicher Objekte massgebend (statistische Methode). Es werden die Preise angeschaut, die für Grundstücke bezahlt wurden, welche nach Zeit, Ort und Nutzung ähnlich sind wie das zu enteignende Grundstück. Am besten geeignet dafür sind unüberbaute Parzellen, weil bei überbauten Parzellen die bestehenden Gebäude den Preis entscheidend beeinflussen und der eigentliche Landwert daher meist nicht herausgefiltert werden kann.
Es ist also zunächst anhand der statistischen Methode der Wert für erschlossenes, unüberbautes Bauland festzustellen (sog. absoluter Landwert). Ist das zu enteignende Grundstück bereits überbaut, wird nur ein reduzierter Landwert entschädigt, da die bestehende Überbauung die Nutzungsmöglichkeiten stets in gewisser Weise einschränkt. Um diesen reduzierten Landwert zu ermitteln, ist namentlich nach der Bedeutung der enteigneten Teilfläche im Verhältnis zum verbleibenden Restgrundstück der Abzug zu bestimmen, um welchen der absolute Landwert reduziert wird. Dies ergibt den reduzierten Landwert (sog. relativer Landwert). Eine Reduktion wird auch vorgenommen, wenn vor der Abtretung noch Ausnützungsreserven vorhanden waren. Das SKE hat in seiner bisherigen Praxis bei der Festsetzung des relativen Landwerts den absoluten Landwert jeweils um 45 % bis 75 % reduziert. Grundsätzlich kann gesagt werden, je kleiner und peripherer die Fläche ist, umso geringer ist der Wert der abzutretenden Fläche (z.B. Vorgartenland). Je hochwertiger der abzutretende Abschnitt ist, desto geringer der Abzug vom absoluten Landwert (Nutzungsreserven, Hauptwohnseite, Verlust von Sicht- oder Lärmschutz).
3. Ersatz des weiteren Schadens
Zu entschädigen sind weiter der Minderwert, der dem verbleibenden Restgrundstück durch die Abtretung entsteht (z.B. eingeschränkte Bebaubarkeit), sowie die Inkonvenienzen. Diese erfassen den Schaden, der dem Enteigneten als Folge der Enteignung im übrigen Vermögen entsteht (z.B. nutzlos gewordene Planungs- und Projektierungskosten, Erschwerung der Zufahrt, Ausfall von Parkplatzmiete).
4. Beispiel
Entlang der Kantonsstrasse soll neu ein Trottoir erstellt werden. Dafür muss einem Grundeigentümer ab seiner Parzelle eine Fläche von insgesamt 30 m2 enteignet werden. Die Ermittlung der Entschädigung wird wie folgt vorgenommen:
Es liegen vier Preise von vergleichbaren, unüberbauten Grundstücken - gehandelt im relevanten Zeitraum - vor (Fr./m2): 550, 600, 500 und 450. Dies ergibt im Durchschnitt einen nach der statistischen Methode ermittelten absoluten Landwert von Fr. 525.00/m2.
Da es sich bei der vom betroffenen Grundeigentümer abzutretenden Fläche um Vorgartenland entlang der Strasse handelt, welches keine Erholungsfunktion aufweist, nicht auf der Hauptwohnseite liegt und die Parzelle bereits vor der Abtretung keine Nutzungsreserven mehr aufweist, wird ein Abzug von 75 % vorgenommen. Dies ergibt einen relativen Landwert von Fr. 131.25/m2.
Ein Minderwert und Inkonvenienzen liegen nicht vor.
Der Grundeigentümer erhält somit eine Entschädigung von 30 m2 x Fr. 131.25/m2 = Fr. 3'937.50.
5. Entschädigung von Strassenland
Strassenland muss üblicherweise gratis abgetreten werden. Es kann in der Regel nicht in Verkehr gebracht werden, da es bereits für bestehende Strassen beansprucht wird und vom Eigentümer dieser Erschliessungsfunktion nicht ohne weiteres entzogen werden kann (z.B. weil Wegrechte darauf lasten). Dem Strassenland kommt daher kein Handelswert zu, der zu entschädigen wäre.
6. Realersatz
Realersatz (§ 142 BauG), das heisst eine gleichwertige Ersatzfläche, wird von Landwirten regelmässig verlangt. Die Rechtsprechung hat festgehalten, dass bei einem Abtretungsverlust von weniger als 1 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche kein solcher Anspruch besteht (AGVE 2007 S. 293). Ein Realersatz kommt von vornherein zudem nur in Frage, wenn das Gemeinwesen über eine geeignete Fläche verfügt.
7. Vorübergehende Beanspruchung
Meist wird in Enteignungsverfahren nicht nur Land enteignet, sondern es werden während der Bauarbeiten vorübergehend auch weitere Flächen für das jeweilige Projekt beansprucht. Praxisgemäss wird für die vorübergehende Beanspruchung im Baugebiet keine Entschädigung ausgerichtet, sondern die beanspruchte Fläche nach Abschluss der Bauarbeiten wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt wird. Erleidet der Grundeigentümer durch die vorübergehende Beanspruchung einen Ertragsausfall (z.B. Restaurant), kann dieser in einem nachträglichen Verfahren geltend gemacht werden (§ 155 BauG). Für die vorübergehende Beanspruchung von Landwirtschaftsland wird der Ertragsausfall während der Bauphase praxisgemäss nach den Richtlinien des Schweizerischen Bauernverbands entschädigt.
Fazit
Die Festlegung der Entschädigung bei einer formellen Enteignung ist komplex und von verschiedensten Faktoren abhängig. Oft kommt sie einigungsweise zustande. Für entsprechende Verhandlungen mit dem Enteigner ist es wichtig, den Überblick über die für die Entschädigung massgebenden Kriterien zu haben.
Die Kniestockhöhe ist die Distanz zwischen dem Boden des Dachgeschosses und dem Schnittpunkt der Fassade mit der Dachoberfläche. In Gemeinden, die ihre Bauordnung noch nicht an die IVHB angepasst haben, wird sie vom kantonalen Recht auf das Mass von 1.20 m begrenzt. Ist sie höher, handelt es sich nicht mehr um ein Dach-, sondern ein Vollgeschoss. Bei Gebäuden am Hang hat das Verwaltungsgericht die Praxis, wonach die Kniestockhöhe nur talseitig, nicht aber bergseitig eingehalten werden muss, für unzulässig erklärt.
Die Höhe von Gebäuden wird in vielen Gemeinden (auch) durch die Anzahl der zulässigen Geschosse begrenzt. Massgebend ist die Anzahl der Vollgeschosse. Damit sind alle Geschosse ausser Dach-, Attika- und Untergeschoss gemeint. Die Fläche unter dem Schrägdach zählt nicht als Voll- sondern als Dachgeschoss (und damit nicht zur Anzahl der zulässigen Geschosse), wenn das Mass des sogenannten "Kniestocks" eingehalten ist. In Gemeinden, in denen die Bau- und Nutzungsordnung (BNO) noch nicht an die Baubegriffe und Messweisen der IVHB (Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe) angepasst worden ist, gelten weiterhin die Bestimmungen der ABauV, wie sie in Anhang 3 zur Bauverordnung (BauV) wiedergegeben werden. Die Kniestockhöhe ist nach § 16 Abs. 1bis ABauV, Anhang 3 zur BauV, auf das Mass von 1.20 m begrenzt. D.h. die Distanz zwischen dem fertigen Dachgeschossboden bis zum Schnittpunkt von Fassade mit Dachoberfläche darf nicht grösser sein als 1.20 m. Die Kniestockhöhe ist folglich relevant für alle Bauzonen, in denen die Anzahl Geschosse in der BNO begrenzt wird.
In einem Verfahren vor Verwaltungsgericht war umstritten, ob bei Gebäuden am Hang die Kniestockhöhe nur talseitig oder auch bergseitig eingehalten werden muss. Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) als Vorinstanz hatte argumentiert, die Überschreitung der zulässigen Kniestockhöhe sei bergseitig irrelevant, da am Hang nebst der Gebäudehöhe und der Firsthöhe auch die Geschosszahl talseitig gemessen werde (§ 12 Abs. 3 ABauV, Anhang 3 zur BauV). Das Verwaltungsgericht stellte sich jedoch gegen die Auffassung des BVU und führte aus, § 12 Abs. 3 Satz 1 ABauV habe nicht zur Folge, dass bei Dachgeschossen die Kniestockhöhe nur talseitig einzuhalten sei. Sinngemäss diene diese Vorschrift lediglich der Zählung der Geschosse (Urteil des Verwaltungsgerichts VGE III 30 vom 7. März 2018, E. 3.5). Die Kniestockhöhe muss folglich an allen Seiten des Dachgeschosses eingehalten werden.
Der Entscheid mag im Ergebnis richtig sein. Doch er lässt offen, worin der Anwendungsbereich von § 12 Abs. 3 ABauV, Anhang 3 zur BauV, wonach die Geschosszahl talseitig gemessen wird, denn eigentlich liegt. Klar ist nur, was die Verordnungsbestimmung nicht aussagt. Offenbar ist damit nicht die Irrelevanz der bergseitigen Kniestockhöhe gemeint. Es hätte der Klärung der Rechtslage sehr gedient, wenn sich das Verwaltungsgericht im Rahmen der Auslegung der Bestimmung nicht nur dazu geäussert hätte, was mit § 12 Abs. 3 ABauV, Anhang 3 zur BauV, nicht gemeint ist, sondern welcher Anwendungsbereich von ihr abdeckt wird, insbesondere was unter der talseitigen Messung der Geschosszahl genau zu verstehen ist.
Die fragliche Bestimmung ist auch bei der Qualifikation eines Geschosses als Untergeschoss relevant. Abgrabungen sind bei Untergeschossen grundsätzlich auf einen Drittel der Fassadenlänge begrenzt (vgl. § 15 Abs. 1 ABauV, Anhang 3 zur BauV). Da es auch hier um die Frage der Geschossigkeit geht, ist bei Untergeschossen von Gebäuden am Hang ebenfalls davon auszugehen, dass die Drittelsregel für Abgrabungen nicht nur talseitig, sondern an allen Fassaden einzuhalten ist (anders sieht es das Departement BVU im Entscheid BVURA.16.839 vom 19. April 2018, E. 10.1).
Für Gemeinden, in denen die Anpassung an die IHVB bereits erfolgt ist, kommt im Übrigen für die Definition des Dachgeschosses § 24 BauV zur Anwendung. Neu gibt es nebst der (kleinen) Kniestockhöhe von 1.20 m eine «grosse Kniestockhöhe», die nicht mehr als 3.50 m betragen darf (vorausgesetzt die Gemeinde bestimmt nichts anderes). Das Maximalmass von 1.20 m ist daher nur noch bei einer Seite des Gebäudes einzuhalten. Die Frage, ob am Hang die Kniestockhöhe nur talseitig oder auch bergseitig einzuhalten ist, drängt sich nach neuer Bauverordnung also nicht mehr auf.
Bei der Erstellung eines Gebäudes können Mängel entstehen. Wie muss der Bauherr und Eigentümer vorgehen, wenn er das Haus übernommen hat und erst Wochen später einen Mangel entdeckt? Kann er den Mangel noch geltend machen und falls ja, wie? Das Bundesgericht äusserte sich dazu in einem Urteil vom 13. Februar 2018 (4A_293/2017). Es geht um sogenannte verdeckte Mängel.
Eine Bauherrschaft kaufte im Jahre 2009 ein Grundstück an einem Hang und liess darauf ein Gebäude erstellen. Im Juni 2010 übernahmen die neuen Eigentümer das Haus. Im Januar 2011 brach der Hang hinter dem Gebäude ab und rutschte gegen das Haus. Strittig waren die Ursache des Rutsches und wer für den Schaden am Gelände aufzukommen hatte. Bei der Hausübergabe im Juni 2010 war die unsichere Hanglage nicht erkennbar. Es handelte sich also um einen verdeckten Mangel. Die Eigentümer meldeten der Bauunternehmung und Verkäuferschaft den Rutsch unverzüglich und verlangten von ihr etwas später, am 15. April 2011, Auskunft über die Hangsicherung. Als Antwort erhielten die Eigentümer am 26. Juli 2011 eine Offerte zur Erstellung einer Stützmauer. Mit Brief vom 9. August 2011 lehnten die Eigentümer diese Offerte ab und machten die Bauunternehmung für den Hangrutsch haftbar. Diese wies ihre Verantwortung im September 2011 zurück. Die Eigentümer gaben daraufhin im Mai 2012 ein Gutachten in Auftrag. Darin wurde bestätigt, dass beim Bau Massnahmen zur Hangsicherung notwendig gewesen wären. Im Juni 2012 verlangten die Eigentümer von der Bauunternehmung die Behebung des Schadens.
Rechtlich stellten sich die Fragen, ob die Eigentümer den Hangrutsch erstens in der richtigen Form und zweitens rechtzeitig beanstandet hatten.
Das Bundesgericht äusserte sich im Urteil zunächst zur Form, in welcher ein Mangel geltend gemacht werden muss, der sogenannten Mangelrüge: Dazu ist nicht nur erforderlich, dass man dem Unternehmer den entdeckten Fehler aufzeigt (Anzeigepflicht). Man muss auch seinen Willen ausdrücken, dass man den Unternehmer dafür rechtlich belangen will, weil man den Fehler als Vertragsverletzung versteht (Rügepflicht). Der Bauherr muss den Fehler so beschreiben, dass der Unternehmer versteht, was ihm vorgeworfen wird. Hingegen muss er die Beanstandung nicht ausführlich begründen oder bereits erklären, welche Rechte er geltend machen will. Im vorliegenden Fall würde die Mitteilung an die Bauunternehmung genügen, dass der Hang hinter dem Haus abgerutscht ist (Anzeigepflicht).
In Bezug auf den Zeitpunkt der Rüge hielt das Bundesgericht fest, Gesetz (Art. 367 Abs. 1 Obligationenrecht) und Rechtsprechung verlangten, dass ein verdeckter Mangel nach dem Entdecken sofort geltend gemacht werde, andernfalls anzunehmen sei, der Mangel werde akzeptiert. Das Bundesgericht gewährt nach dem Entdecken immerhin eine kurze Bedenkfrist, ob der Mangel effektiv gerügt werden soll oder nicht. Man muss sich schnell entscheiden. Die Frist beginnt allerdings erst zu laufen, wenn man das Vorhandensein des Mangels mit Sicherheit festgestellt hat, so dass eine genügend detaillierte Mangelrüge erhoben werden kann. Das setzt voraus, dass die Tragweite des Mangels abgeschätzt werden kann. Laut dem Bundesgericht ist dies noch nicht erfüllt, wenn lediglich Anzeichen eines Mangels vorliegen, der sich weiter verändert. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Bauherr erfassen kann (oder könnte), dass ein Mangel tatsächlich eine Vertragsabweichung darstellt und nicht ein übliches Ereignis (wie z.B. ein kleinerer Hangrutsch nach einem starken Regelfall).
Entsprechend dieser Ausgangslage hielt das Bundesgericht im genannten Fall fest, dass die Eigentümer im Brief vom 15. April 2011, mit welchem sie Auskunft über die Hangsicherung verlangten, die Ursache des Hangrutsches nicht kannten, namentlich dass ein Fehler der Bauunternehmung vorlag (ungenügende Hangsicherung). Die Eigentümer hätten damals über die Ursache noch gemutmasst. Deshalb habe die Rügefrist noch nicht zu laufen begonnen. Auf das Antwortschreiben vom 26. Juli 2011 (Offerte zur Erstellung einer Mauer) hin hätten die Eigentümer die Bauunternehmung am 9. August 2011 für den Hangrutsch haftbar gemacht. Die Schreiben vom 15. April und 9. August 2011 stellten gemeinsam eine gültige Mangelrüge dar (Anzeige und Rüge). Ab diesem Zeitpunkt habe die Bauunternehmung verstehen müssen, dass der Hangrutsch nicht akzeptiert werde.
Zur Fristwahrung und der Frage, ob der Mangel "sofort" gerügt worden sei, präzisierte das Bundesgericht, im April 2011 sei die Rügefrist noch nicht gelaufen. Darüber hinaus hätten sich nach dem April 2011 weitere Hangrutsche ereignet. Wohl sei der Zeitraum zwischen dem 15. April 2011 und dem 9. August 2011 beträchtlich gewesen und die Eigentümer seien in dieser Zeit inaktiv geblieben. Diese Zeitspanne sei jedoch deshalb lange gewesen, weil die Bauunternehmung erst am 26. Juli 2011 auf den Brief vom 15. April 2011 reagiert habe, obwohl sie im Besitze eines geologischen Gutachtens gewesen sei, aufgrund dessen eine ungenügende Hangsicherung zu vermuten gewesen sei. Zudem habe die Bauunternehmung den Anschein erweckt, den Schaden zu akzeptieren und sich der Haftung nicht zu entziehen. Denn sie habe ihrer Versicherung eine Schadenanzeige zugestellt und auf ihre Kosten das abgerutschte Hangmaterial weggeräumt. Die Mangelrüge am 9. August 2011 sei daher rechtzeitig erfolgt. Deshalb sei irrelevant, dass die Eigentümer auf den Brief der Bauunternehmung vom September 2011, worin diese ihre Haftung abgelehnt habe, nicht reagiert hätten. Denn ist die Mangelrüge einmal erfolgt, muss der Bauherr (hier: Eigentümer) lediglich den Anspruch rechtzeitig gerichtlich geltend machen (Verjährungsfrist beachten); die Vermutung, dass der Mangel akzeptiert sei, könne nicht mehr eintreten.
Der Entscheid des Bundesgerichts wird der Sache wohl gerecht. Allerdings überrascht er auch. Denn der Zeitraum zwischen der Mangelanzeige im April 2011 und der eigentlichen Rüge im August 2011 war sehr lange. Das Obligationenrecht und die Rechtsprechung verlangen eine sofortige Mangelrüge. Der Entscheid hätte wohl auch dahingehend lauten können, dass die Mangelrüge verspätet erfolgt sei - diesen Standpunkt hatte das Kantonsgericht Wallis vertreten.
Die Erkenntnis aus diesem Entscheid ist einmal mehr, dass nach der Hausabnahme bei Entdecken einer "Abnormalität" diese im Zweifel als Mangel gerügt werden soll, selbst wenn man noch nicht sicher ist, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt. Besser einmal mehr und etwas früher einen Mangel anzeigen und rügen als einmal zu wenig oder zu spät. Wird das unterlassen, besteht die Gefahr, dass das Mangelrecht verloren geht (sogenannt "verwirken"). Eine Mangelrüge kann auch vorsorglich erfolgen, verbunden mit dem Vorbehalt späterer Erkenntnisse.
Alternativ zu den Regeln des Obligationenrechts mit der kurzen Rügefrist können die Parteien die Regeln der Schweizer Norm SIA-118 (2013), Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten, des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA vereinbaren. Gerade im Bauwesen wird diese SIA-Norm 118 sogar sehr oft zum Vertragsinhalt erklärt. In Bezug auf die Dauer der Rügefrist bringt sie eine klare Besserstellung für die Bauherrschaft. Denn die SIA-Norm sieht eine Rügefrist von zwei Jahren vor (Art. 172 Abs. 1 SIA 118). Während dieser Frist kann die Bauherrschaft Mängel jederzeit rügen (Art. 173 Abs. 1 SIA 118). Ein Mangel muss also nach dem Entdecken nicht sofort gerügt werden, sondern man kann ihn auch noch Monate später rügen. Die SIA-Norm 118 (und die weiteren SIA-Normen) müssen jedoch ausdrücklich vereinbart werden, am besten schriftlich. Wird nichts vereinbart, gilt das Obligationenrecht.
Vom Unternehmer darf zudem Auskunft verlangt werden über den beanstandeten Mangel. Das Gesetz berechtigt darüber hinaus beide Parteien je einzeln, ein gerichtliches Gutachten einholen zu lassen, um den Mangel festzuhalten ("Tatbestandsaufnahme") und die Ursachen zu klären. Die andere Seite muss mit der Einholung des Gutachtens nicht einverstanden sein. Das ist die sogenannte vorsorgliche Beweisführung (Art. 158 Zivilprozessordnung).
Das Urteil des Bundesgerichts zeigt jedoch auch auf, dass Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Mängeln beim Bauen oft Jahre dauern, im vorliegenden Fall knapp acht Jahre. Dabei gibt es zahlreiche Hürden zu nehmen und Stolperfallen zu vermeiden, angefangen beim Beweis des Sachverhalts oder der Einhaltung von Fristen bis hin zum Beweis des Schadens in der genauen Franken-Höhe. Ohne technische und juristische Begleitung ist das kaum zu bewältigen.
Der Grosse Rat hat an seiner Sitzung vom 5. Juni 2018 eine Änderung des Waldgesetzes beschlossen. Die bisherige dynamische Waldabgrenzung wird auf den 1. Januar 2019 durch eine statische und rechtsverbindliche Waldgrenze für das ganze Kantonsgebiet ersetzt.
Basis für die Abgrenzung von Wald bilden das Bundesgesetz über den Wald (Waldgesetz, WaG) vom 4. Oktober 1991 (SR 921.0) und die Verordnung über den Wald (Waldverordnung, WaV) vom 30. November 1992 (SR 921.1). Als Wald gilt jede Fläche, die mit Waldbäumen oder Waldsträuchern bestockt ist und Waldfunktionen erfüllen kann. Entstehung, Nutzungsart und Bezeichnung im Grundbuch sind nicht massgebend (Art. 2 Abs. 1 WaG). Somit "bricht" Wald sämtliche andere Nutzungsarten einer Fläche.
Die kantonalen Ausführungsbestimmungen sind im Waldgesetz des Kantons Aargau (AWaG) vom 1. Juli 1997 (SAR 931.100) und in der Verordnung zum Waldgesetz des Kantons Aargau (AWaV) vom 16. Dezember 1998 (SAR 931.111) festgehalten. Danach gilt jede Bestockung, welche grösser als 600 m2, breiter als 12 m und älter als 15 Jahre ist, rechtlich als Wald.
Ausserhalb des Baugebiets ist die Waldabgrenzung im Kanton Aargau dynamisch: Ursprünglich offene Flächen, auf denen sich Bäume ansamen und entwickeln, werden nach 15 Jahren zu Wald. Aufgrund des Rodungsverbots kann eine so entstandene Bestockung nicht mehr entfernt werden. Es entstehen als Folge dieser Dynamik Überschneidungen mit anderen Nutzungszonen. Dies gilt insbesondere für landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Diese "dynamische" Waldabgrenzung wird nun durch eine dauerhafte, statische Waldgrenze ersetzt. Dazu waren eine Anpassung des Richtplans und eine Änderung des Waldgesetzes des Kantons Aargau notwendig. Nach der Genehmigung der Richtplananpassung hat der Grosse Rat am 5. Juni 2018 auch der Gesetzesänderung zugestimmt.
Voraussichtlich ab 1. Januar 2019 werden die statischen Waldgrenzen neu in einem einheitlichen Verfahren und in einem gesamtkantonalen Waldgrenzenplan festgelegt und dargestellt. Der Waldgrenzenplan bildet die rechts- und grundeigentümerverbindliche Grundlage für alle öffentlich-rechtlichen Planungen und Entscheide im Zusammenhang mit Wald. Die Waldgrenzen gemäss dem kantonalen Waldgrenzenplan müssen in die Nutzungspläne und in die amtliche Vermessung übernommen werden. Nach dem Inkrafttreten per 1. Januar 2019 müssen noch die Übergangsregelungen bis zur öffentlichen Auflage des Waldgrenzenplans geschaffen werden. Bis in den Winter 2019 hinein soll auch dieser Prozess abgeschlossen sein.
Mit der Einführung des statischen Waldbegriffs, das heisst von festen Waldgrenzen, wird in erster Linie die Rechts- und Planungssicherheit im Umgang mit dem Wald deutlich erhöht. Insbesondere für die Gemeinden wirkt sich die gesteigerte Rechts- und Planungssicherheit im Zusammenhang mit der Nutzungsplanung und dem Behandeln von Baugesuchen positiv aus. Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer werden künftig davon entlastet, einwachsende Flächen dauernd zu pflegen, um die Entstehung von Wald zu verhindern.
Wald kann bei Bedarf weiterhin neu entstehen. Dies erfordert aber gleichzeitig einen bewussten Planungsakt im Rahmen der Nutzungsplanung. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, eine bewusste Waldflächenvermehrung im dicht genutzten Raum des Kantons Aargau sinnvoll zu steuern[1].
[1] Zum Ganzen ausführlich: Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 18. Oktober 2017, Geschäft Nr. 17.253, sowie Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 28. März 2018, Geschäft Nr. 18.79; Link auf die Webseite des Grossen Rats.
Seit 1. Mai 2018 führen wir unsere Anwaltskanzlei in neuen Räumlichkeiten an der Frey-Herosé-Strasse 25 in Aarau. Wir freuen uns sehr, unsere Klienten in den neuen Büros empfangen zu dürfen. Wir sind mit dem ÖV vom Bahnhof Aarau aus mit wenigen Schritten erreichbar und verfügen über eigene Besucherparkplätze direkt vor dem Haus.
Nachdem wir unser Anwaltsteam per April 2018 mit Frau Bruder-Wismann vergrössert hatten, war ein Umzug in grössere Büroräumlichkeiten absehbar. Wir dürfen uns neu über zwei Stockwerke ausdehnen. Für Kanzleierweiterungen sind wir ebenfalls gerüstet. Neu erbringen wir unsere Dienstleitungen zudem in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft.
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