Das Zivilgesetzbuch (ZGB) schützt die Ansprüche der Handwerker und Unternehmer durch das Bauhandwerkerpfandrecht. Die Eintragung des Pfandrechts hat bis spätestens vier Monate nach Vollendung der Arbeit zu erfolgen. Diese 4-Monats-Frist führt in der Praxis immer wieder zu Frust, nämlich dann, wenn die Eintragung zu spät erfolgt und dadurch keine Sicherstellung der Ansprüche mehr möglich ist.
1. Einleitung
Das Bauhandwerkerpfandrecht weist einige Stolperfallen auf. Ein ganz entscheidendes Kriterium für die erfolgreiche Eintragung des Pfandrechts ist die Einhaltung der 4-Monats-Frist gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB. Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag auf, wann die Frist zu laufen beginnt und wann die Frist abläuft. Schliesslich gehen wir auf ein paar besondere Fälle aus der Praxis ein.
2. Beginn der Frist
Das Bauhandwerkerpfandrecht kann frühestmöglich ab dem Zeitpunkt, an dem sich der Bauhandwerker zur Arbeitsleistung verpflichtet hat, eingetragen werden (Art. 839 Abs. 1 ZGB), also gleich nach Abschluss des Vertrags. Dass ein Handwerker gleich zu diesem Zeitpunkt die Eintragung verlangt, kommt in der Praxis jedoch kaum vor. Heikel ist viel mehr die Einhaltung des spätestmöglichen Eintragungstermins nach Art. 839 Abs. 2 ZGB. Die 4-Monats-Frist beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit der Vollendung der Arbeit. "Vollendung" liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn alle Arbeiten, die Gegenstand des Werkvertrags bilden, ausgeführt worden sind und das Werk abgeliefert werden kann (BGE 102 II 206 ff.). Die Bestimmung dieses Zeitpunkts kann unter Umständen schwierig sein. Es kommt immer wieder vor, dass der letzte Feinschliff, das Aufräumen der Baustelle oder andere unbedeutende Arbeiten nicht erbracht werden können, weil beispielsweise ein gestörtes Verhältnis zwischen Bauherr und Unternehmer oder ein Zahlungsverzug besteht.
Ist eine Arbeit im Hinblick auf die Benutzbarkeit des Werks wichtig, so stellt sie regelmässig eine Vollendungsarbeit dar. Die Frist beginnt erst mit Abschluss dieser Arbeit zu laufen. Sind beispielsweise bei einer Küche sämtliche Installationen und Einbauten erfolgt und ist die Küche voll funktionsfähig, beginnt die Frist zu laufen. Nachbesserungsarbeiten oder der Ersatz provisorisch gelieferter, minderwertiger Teile und Arbeit sind dagegen ohne Einfluss auf den Beginn der Frist (vgl. Urteil LF140087 des Obergerichts Zürich vom 16. Dezember 2014, E. 8b; BR 2015, S. 363). Für Arbeiten, die nicht verrechnet werden dürfen, besteht kein Anspruch auf ein Bauhandwerkerpfandrecht. Sie sind daher nicht fristauslösend.
Im Falle des Abbruchs der Bauarbeiten und der Kündigung des Vertrags beginnt die Frist an dem Tag zu laufen, an welchem die vorzeitige Auflösung des Werkvertrags feststeht. Werden nach Vertragsauflösung trotzdem einvernehmlich noch Arbeiten geleistet, wird auf das Ende dieser Arbeiten abgestellt (vgl. BGE 120 II 389 ff., E. 1a und 1c).
3. Ende der Frist
Die Frist für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts beträgt vier Monate. Da es sich nicht um eine Frist nach Tagen handelt, kann sie unterschiedlich lang sein, je nachdem welche Kalendermonate betroffen sind. Sie endet im vierten Monat an dem Tag, der dieselbe Zahl trägt wie der Tag, an dem sie zu laufen begann. Fehlt der entsprechende Tag, so endet sie am letzten Tag des Monats (Art. 142 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Beginnt die Frist beispielsweise am 20. Mai zu laufen, endet sie am 20. September, läuft sie ab dem 31. Mai, endet sie am 30. September, weil es keinen 31. September gibt.
Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen am Gerichtsort vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, endet sie am nächsten Werktag (Art. 142 Abs. 3 ZPO). Die Frist kann sich also unter Umständen um mehrere Tage verlängern.
Bauhandwerkerpfandrechte werden aufgrund der langen Dauer eines normalen Gerichtsverfahrens und dem damit drohenden Ablauf der 4-Monats-Frist zunächst in einem summarischen Verfahren (Art. 248 lit. d ZPO) geprüft und nur vorläufig eingetragen. Mit der vorläufigen Eintragung erfolgt die Fristansetzung für die Klage auf definitive Eintragung. Im summarischen Verfahren gelten keine Gerichtsferien (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO). Die 4-Monats-Frist steht daher während den Gerichtsferien nicht still. Sie wird also nicht um die Dauer der Gerichtsferien verlängert.
Die Frist ist erfolgreich gewahrt, wenn das Bauhandwerkerpfandrecht am letzten Tag der Frist vorläufig oder definitiv im Grundbuch eingetragen wird (Tagebucheintrag). Dazu ist ein gewisser Vorlauf erforderlich. Denn das Gericht muss den Fall prüfen und danach das Grundbuchamt anweisen, das Pfandrecht einzutragen. Das benötigt etwas Zeit, in der Regel ein bis zwei Tage. Das Gesuch sollte dem zuständigen Gericht daher vorsichtshalber nicht erst am letzten Tag der Frist übergeben werden. Denn die Postaufgabe reicht nicht; das Pfandrecht muss effektiv eingetragen sein. Wir empfehlen, das Gesuch möglichst frühzeitig und unter Angabe des errechneten Fristablaufs dem Gericht einzureichen.
4. Besondere Fälle aus der Praxis
5. Fazit
Die Einhaltung der 4-Monats-Frist ist mit unzähligen Fallstricken gespickt. Der Unternehmer ist gehalten, genau darauf zu achten, wann die letzten Arbeiten, die zur Benutzbarkeit des Werks geführt haben, stattgefunden haben. Es ist empfehlenswert, in den Arbeitsrapporten auszuweisen, ob es sich um Vollendungs- oder Nachbesserungsarbeiten handelt. Im Weiteren sollte der Unternehmer die Fristberechnung korrekt vornehmen oder vornehmen lassen und das Gesuch dem zuständigen Gericht nicht erst am letzten Tag, sondern mit einem angemessenen Vorlauf einreichen. Verpasst der Unternehmer die Frist, so ist sein Pfandrechtsanspruch zur Sicherung seiner Werklohnforderung definitiv verwirkt. Die Forderung selber besteht dann zwar noch. Das in der Praxis wichtige Druckmittel des Pfandrechts auf dem Grundstück zur Durchsetzung des Werklohns ist jedoch verloren.
Der Schutz vor der Strahlung von Mobilfunkanlagen wurde in zahlreichen Gerichtsentscheiden präzisiert. Der Schutz vor der WLAN-Strahlung führte bisher kaum zu Streitigkeiten vor Gericht. Das Bundesgericht musste sich in einem Urteil vom 30. November 2017 (Urteil 5D_56/2017) damit befassen. Davon berichten wir Ihnen, nach einer Übersicht über die Grundlagen bei Mobilfunkanlagen und bei WLANs.
1. Einleitung
Immer mehr Funkanwendungen prägen unser Leben. Das Telefonkabel ist beinahe verschwunden. Der Kopfhörer der Musikanlage oder die Babyfone funktionieren über Funk. WLANs (Wireless Local Area Networks) ermöglichen mittels hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung über ein lokales Funk-Netzwerk den bequemen, schnurlosen Internetzugang innerhalb eines Gebäudes oder im Garten. Mobiltelefone empfangen oft gleichzeitig mehrere WLANs, auch diejenigen der Nachbarn.[1]
WLANs stehen heute für wenig Geld für jedermann zur Verfügung. Das Ende der Entwicklung ist noch lange nicht abzusehen. Die Reichweite der WLANs ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie Sendeleistung, Datenübertragungsrate oder Umgebung (innerhalb oder ausserhalb des Hauses, Sichtverbindung). Je mehr Hindernisse sich zwischen den drahtlosen Teilnehmern und den Sendern befinden, desto kürzer ist die Reichweite (dazu: Faktenblatt WLAN, Bundesamt für Kommunikation BAKOM, März 2017; Faktenblatt WLAN, Bundesamt für Gesundheit BAG, 20. Oktober 2016).
2. Öffentlich-rechtlicher Immissionsschutz
2.1. Einleitung
Fernmeldeanlagen wie Natelantennen oder eben WLANs unterstehen der Verordnung über Fernmeldeanlagen vom 25. November 2015 (FAV, SR 784.101.2). Diese stellt grundlegende Anforderungen bezüglich des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Benutzenden auf und regelt primär den Handel, den Betrieb und die Kontrolle der Fernmeldeanlagen, also auch der WLANs.
Für den Schutz vor den Strahlen von Mobilfunkanlagen hat der Bundesrat die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung vom 23. Dezember 1999 (NISV; SR 814.710) erlassen. Sie soll die Menschen vor schädlicher oder lästiger nichtionisierender Strahlung (im Volksmund auch Elektrosmog genannt) schützen (Art. 1 NISV). Dieser Schutzgedanke ist auf die WLANs grundsätzlich anwendbar. Allerdings werden Sendeanlagen mit einer abgestrahlten Hochfrequenzleistung (äquivalente Strahlungsleistung, equivalent radiated power ERP) von weniger als 6 Watt von dieser Verordnung ausgenommen (Anhang 1 Ziff. 61 der NISV). Da WLANs unter diesem Wert liegen, werden sie von der NISV nicht erfasst. Die NISV geht somit davon aus, dass die Strahlungen der WLANs für den Menschen nicht schädlich oder lästig sind (vgl. Art. 1 NISV).
2.2. Schutz vor Mobilfunkanlagen
Zur Anwendung der NISV bei Natelantennen besteht mittlerweile eine reichhaltige Rechtsprechung der Gerichte, bis vor Bundesgericht (vgl. dazu ausführlich das Urteil 1C_451/2017 vom 30. Mai 2018). So ist es grundsätzlich Sache des kantonalen bzw. kommunalen Rechts und der Nutzungsplanung (BNO und Zonenplan) festzulegen, in welchen Zonen Mobilfunkanlagen generell zulässig sind bzw. ausnahmsweise zugelassen werden können. Zulässig ist namentlich eine Negativplanung, die in einem bestimmten schutzwürdigen Gebiet oder auf gewissen Schutzobjekten die Erstellung von Mobilfunkantennen untersagt. Erlaubt ist auch ein Kaskadenmodell, das Mobilfunkanlagen in erster Linie in den Arbeitszonen, in zweiter Linie in den übrigen (gemischten) Bauzonen und erst in dritter Priorität in den Wohnzonen zulässt. Die Rechtsprechung unterscheidet ferner die Rechtslage bei visuell wahrnehmbaren von derjenigen bei visuell nicht wahrnehmbaren Mobilfunkantennen. Der Schutz vor der Strahlung steht anerkanntermassen auch in einem gewissen Zielkonflikt mit den öffentlichen Interessen der Fernmeldegesetzgebung, vorab den Interessen an der Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise oder an qualitativ hochstehenden Fernmeldediensten.
2.3. Schutz vor WLANs
Obwohl WLANs immer zahlreicher werden, führten sie bisher kaum zu Gerichtsfällen. Das hängt wohl damit zusammen, dass die gewöhnlichen WLANs die Grenzwerte der NISV bei weitem einhalten und daher aus dem öffentlich-rechtlichen Umweltschutzrecht kein einklagbarer Immissionsschutz gegen den WLAN-Sender des Nachbarn besteht. Eine vollständige Abschaltung kann nicht verlangt werden. Eine weitere Einschränkung würde den Einsatz von WLANs faktisch verunmöglichen. So weit geht das Umweltschutzrecht nicht. Es will Emissionen begrenzen, sie aber nicht völlig verhindern (vgl. Urteile des Bundesgerichts BGE 140 II 33 E. 6.2 oder BGE 126 II 300 E. 3c).
3. Privatrechtlicher Immissionsschutz
3.1. Einleitung
Nebst dem öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz steht Nachbarn der privatrechtliche Abwehranspruch gemäss Artikel 648 Zivilgesetzbuch (ZGB) zur Verfügung. Diese Bestimmung verpflichtet die Nachbarn zu gegenseitiger Rücksichtnahme: Übermässige Einwirkungen auf das Eigentum des Nachbarn sind untersagt, beispielsweise durch Rauch, lästige Gerüche, Lärm oder Erschütterung.
3.2. Urteil des Bundesgerichts
Nachbarn können dieses Abwehrrecht vor Gericht einklagen. Genau dies taten zwei Kläger aus dem Kanton Solothurn. Sie verlangten von ihrem Nachbarn die Begrenzung der von seinem Grundstück ausgehenden WLAN-Emissionen, so dass keine Strahlen in die Innenräume ihrer Liegenschaft mehr eindringen. Die Begrenzung sollte bereits während des Gerichtsverfahrens verfügt werden (vorsorglich), und zwar zwischen 22.00 und 07.00 Uhr. Das Gericht lehnte diesen Antrag auf vorsorglichen Schutz ab. Das Obergericht bestätigte diesen Entscheid. Letztlich musste sich das Bundesgericht damit beschäftigen (Urteil 5D_56/2017 vom 30. November 2017).
Das Bundesgericht hielt fest, der Streitgegenstand bilde die Frage, ob ein Haushalt ein WLAN betreiben dürfe oder ob dies für die Nachbarn grundsätzlich eine übermässige Immission im Sinne von Art. 684 ZGB bedeute. Das Nachbarrecht schütze vor übermässigen Immissionen. Massgebend seien nicht das subjektive Empfinden Einzelner, sondern objektive Kriterien. Strahlung als ideelle Immission könne nur dann eine übermässige Einwirkung darstellen, wenn sie von jedermann, der sich in der Lage der Beschwerdeführer befände, als übermässig empfunden würde. Die Beschwerdeführer hätten das Übermass der Immissionen nicht glaubhaft gemacht (glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn für deren Vorhandensein einiges spricht, aber noch die Möglichkeit besteht, dass es eben doch anders ist, wenn man es genauer ansieht; vgl. BGE 130 III 321 E. 3.3). Ob und inwiefern von WLAN-Strahlung allenfalls Gesundheitsrisiken für den Menschen ausgingen, sei vor dem Hintergrund des aktuellen Wissens in der Schweiz nicht offiziell anerkannt. Insofern fehle eine Grundlage, unabhängig vom Beweis einer konkreten Strahlenintensität gestützt auf das private Nachbarrecht generell ein WLAN-Verbot zu verlangen. Das Fehlen öffentlich-rechtlicher Instrumente gegen WLANs ziehe nicht privatrechtliche Ersatzverbote nach sich. Im Übrigen seien das öffentliche Recht und der privatrechtliche Immissionsschutz möglichst zu koordinieren, so dass bei Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Immissionsgrenzwerte in der Regel kein Übermass im Sinn von Art. 684 ZGB vorliege. Das Bundesgericht schützte daher den kantonalen Entscheid, welcher den vorsorglichen Schutz bereits während des Hauptverfahrens verweigert hatte. Noch nicht entschieden ist damit die Hauptsache: Die Kläger können im Hauptverfahren nach wie vor den Beweis erbringen, dass die konkrete Strahlenintensität des WLANs des Nachbarn übermässig ist. Aufgrund der Ausführungen des Bundesgerichts wird der Entscheid in der Hauptsache allerdings kaum anders lauten.
4. Fazit
Die gewöhnlichen WLANs werden durch die NISV nicht erfasst, weil ihre Sendeleistungen unter den gesetzten Grenzwerten liegen. Das öffentliche Recht sieht daher keinen absoluten Schutz gegen das WLAN des Nachbarn vor. Weil das privatrechtliche Nachbarrecht (Art. 684 ZGB) nur vor übermässigen Einwirkungen schützt, solche bei WLANs gemäss heutigem Wissensstand jedoch nicht vorliegen, bietet das Nachbarrecht keinen weitergehenden Schutz, Sonderfälle allenfalls vorbehalten (wie z.B. unnötig zahlreiche Sender oder ähnliches).
Das schliesst nicht aus, dass Nachbarn einvernehmlich Rücksicht nehmen: Der eigene Sender wird möglichst weit weg vom Nachbarn installiert, auf ein WLAN im Garten wird verzichtet, WLAN-Sender werden bei Nichtgebrauch ausgeschaltet. Insbesondere beim Laptop ist es möglich, das WLAN auszuschalten, weil sonst immer wieder nach einem Netz gesucht wird, was unnötige Strahlung verursacht (weiterführend: Faktenblatt WLAN des BAG, vgl. oben).
[1] Der vorliegende Bericht erschien in leicht gekürzter Version auch als Fachbeitrag in der Zeitschrift "Wohnwirtschaft" des Aargauischen Hauseigentümerverbandes HEV, September 2018.
Ein Klient vermutet, dass sein Nachbar nicht baubewilligungskonform gebaut hat. Er möchte die erstellte Baute mit den bewilligten Plänen vergleichen. Muss die Gemeinde ihm Einsicht in die Baubewilligung geben?
1. Grundlagen
Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV) und § 22 Abs. 1 der Kantonsverfassung (KV) garantieren den Anspruch auf rechtliches Gehör. Darin enthalten ist auch ein Anspruch auf Akteneinsicht. In einem Baubewilligungsverfahren dürfen die Verfahrensbeteiligten daher die Verfahrensakten grundsätzlich vorbehaltlos und ohne Geltendmachung eines besonderen Interesses einsehen (§ 22 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG] vom 4. Dezember 2007; § 5 Abs. 1 Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen [IDAG] vom 24. Oktober 2006).
Leicht anders ist die Rechtslage, wenn die Baubewilligung (Verfügung) bereits erteilt und umgesetzt worden ist. Die Klientenfrage bezieht sich auf diese Situation: Der Klient möchte Einsicht in die Akten eines bereits abgeschlossenen Verfahrens erhalten.
Ein Recht zur Akteneinsicht besteht gestützt auf Art. 29 Abs. 2 BV und § 22 Abs. 1 KV auch bei abgeschlossenen Verfahren, sofern die um Einsicht ersuchende Person ein schützenswertes Interesse glaubhaft macht (BGE 129 I 249; § 6 Abs. 2 IDAG).
Dieses schützenswerte Interesse kann sich aus der Betroffenheit bezüglich eines spezifischen Freiheitsrechts (wie z.B. der persönlichen Freiheit) oder aus einer sonstigen besonderen Sachnähe ergeben.
Eine Betroffenheit in einem Freiheitsrecht könnte z.B. bezüglich der Eigentumsgarantie vorliegen: Eine (vermutungsweise) baurechtswidrig zu nahe an die Grenze gestellte Baute beeinträchtigt das Eigentum des Nachbarn. Eine besondere Sachnähe kann vorliegen, wenn die Akteneinsicht zur Vorbereitung eines Verfahrens beansprucht wird, mit dem ein Ausgleich - z.B. im Sinne von Schadenersatz - angestrebt wird (vgl. BGE 130 III 42, E. 3.2.2.).
Das Akteneinsichtsrecht findet seine Grenzen an überwiegenden öffentlichen Interessen des Staates oder an berechtigten Interessen Dritter (§ 5 Abs. 3 lit. a IDAG), insbesondere des Nachbarn und Grundeigentümers, in dessen Baubewilligung eingesehen werden soll. Dieser kann schützenswerte Interessen, wie Geschäftsgeheimnisse, Urheberrechte oder anderes geltend machen, die einer Einsichtnahme entgegenstehen. Die einander entgegenstehenden Interessen an der Akteneinsicht einerseits und an deren Verweigerung andererseits müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
2. Einander entgegenstehende Interessen in unserem Fall
Unser Klient als Nachbar der Bauherrschaft ist vom Bauwerk auf der Nachbarparzelle faktisch betroffen: Er sieht es, hört es und erlebt auch sämtliche anderen Immissionen, welche davon ausgehen. Dementsprechend wäre er ursprünglich legitimiert gewesen, im Baugesuchsverfahren Einwendungen zu erheben und alle Akten einzusehen. Die besondere Sachnähe, welche ein Einsichtsrecht begründet, dürfte aus diesem Grund bei einem direkten Nachbarn auch nachträglich immer vorliegen.
Seitens der Bauherrschaft können dem Einsichtsrecht beispielsweise Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen, vorab an der Identität. Bei baurechtlichen Fragen, wie hier, sind die Personalien der Grundeigentümerschaft jedoch immer bekannt. Sie lassen sich dem öffentlichen Grundbuch entnehmen. Zudem lag das Baugesuch seinerzeit einmal öffentlich auf und konnte von der breiten Öffentlichkeit ohne Geltendmachung irgend eines Interesses eingesehen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_509/2016 vom 9. Februar 2017, E. 3.8.; Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts VB.2017.00416 vom 30. November 2017, E. 2.2.1.). Schützenswerte Daten bestehen daher auf der Seite der Bauherrschaft in der Regel nicht.
Öffentliche Interessen, welche gegen eine Einsicht sprechen, sind kaum denkbar. Es gibt zwar auch seitens des Staates Geheimhaltungsinteressen, welche im Einzelfall zu wahren sind. Es könnten in der Baubewilligung z.B. Informationen über geheime militärische Anlagen enthalten sein. Eine solche Ausgangslage dürfte jedoch äusserst selten sein, weshalb im Regelfall davon ausgegangen werden darf, dass keine überwiegenden öffentlichen Interessen vorliegen.
3. Gesuch um Akteneinsicht
Ein Gesuch um Akteneinsicht kann mündlich oder schriftlich gestellt werden. Es ist darin darzulegen, aus welchen Gründen die Akteneinsicht gewünscht wird (§ 35 Abs. 1 IDAG).
Oft wird ein Einsichtsgesuch mit einem vermuteten Verstoss gegen baurechtliche Vorgaben oder Auflagen der Baubewilligung begründet. Diese Aussage allein ist zu wenig spezifisch und reicht daher nicht aus. Damit die Gemeinde die Interessenabwägung pflichtgemäss durchführen kann, muss der Gesuchsteller darlegen, weshalb die in den Baubewilligungsakten enthaltenen Informationen für ihn von Interesse sind (welche Verstösse werden genau vermutet? Worin gründet diese Vermutung?). Erst wenn die Gemeinde abschätzen kann, wie schwerwiegend die vermuteten Verstösse und die daraus resultierenden Konsequenzen wären, kann sie über den Anspruch eines Akteneinsichtsrechts entscheiden.
Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die Kontrolle der Einhaltung der baurechtlichen Vorgaben der Gemeinde obliegt und nicht Sache der Nachbarn ist. Wird z.B. bei einer bereits länger bestehenden Baute ein geringfügiger Verstoss gegen eine Auflage der Baubewilligung vermutet, wiegt das Interesse an der Wahrung der Privatsphäre des Nachbarn regelmässig schwerer als das Interesse an der Akteneinsicht. Kommt dagegen ein Verstoss gegen Auflagen zum Immissionsschutz (wie Abwehr gegen Rauch, Lärm, Gerüche) in Frage, wäre wohl das private Interesse an der Einsichtnahme zur Vorbereitung eines Schutzverfahrens schwerer zu gewichten als das Geheimhaltungsinteresse des Baubewilligungsnehmers (vgl. auch "Häufige Fragen" an die Beauftragte für Öffentlichkeit und Datenschutz, Departement Volkswirtschaft und Inneres, zu finden auf der Webseite des Kantons Aargau).
4. Vorgehen der zuständigen Behörde
Gelangt ein Akteneinsichtsgesuch an die zuständige Baupolizeibehörde, wird sie zunächst eine erste Prüfung des Gesuchs vornehmen. Ist dieses nicht offensichtlich unbegründet, wird sie gehalten sein, der Bauherrschaft das rechtliche Gehör zu gewähren (§ 36 Abs. 2 IDAG). Die jeweilige Interessenlage ist anschliessend abzuwägen.
5. Entscheid
Sofern der Klient gegenüber der Gemeinde sein schützenswertes Interesse darlegen kann und die vermuteten Verstösse gegen baurechtliche Vorgaben eine gewisse Schwere aufweisen, dürfte ein Gesuch um Einsicht in die Baubewilligung des Nachbarn gutgeheissen werden.
Bei Ablehnung des Gesuchs um Akteneinsicht steht das Rechtsmittel der Beschwerde offen. Ist das Gesuch mit weiteren Anträgen verbunden, die ein Tätigwerden der Baupolizei auslösen, so dürfte unseres Erachtens das Departement Bau, Verkehr und Umwelt für die Behandlung der Beschwerde zuständig sein (§ 39 Abs. 1 IDAG in Verbindung mit § 50 Abs. 2 VRPG und § 13 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrats [Delegationsverordnung, DelV] vom 10. April 2013). Handelt es sich hingegen um ein Gesuch um Akteneinsicht, ohne dass gleichzeitig ein Tätigwerden der Baupolizei verlangt wird, liegt unseres Erachtens kein Entscheid in Anwendung der Baugesetzgebung oder Gemeindebauvorschriften (§ 13 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 DelV) vor, weshalb der Regierungsrat für die Behandlung der Beschwerde zuständig sein müsste. Dieser Weg kann bei Gutheissung eines Gesuchs auch von der Bauherrschaft beschritten werden.
Wir gratulieren unserem Rechtspraktikanten, Herrn Valentin Wespi, herzlich zum Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften (Master of Law; früher: lic. iur.) an der Universität Bern.
Herr Wespi unterstützt uns seit rund drei Jahren zeitweise als Rechtspraktikant. Im Januar 2019 wird er in Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung eine Praktikumsstelle am Bezirksgericht Kulm antreten. Wir freuen uns auf die verbleibende Zusammenarbeit und wünschen ihm auf seinem weiteren Weg alles Gute.
Pfisterer Fretz Munz AG
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